Das Bundesgesundheitsministerium (BGM) hat einen Schritt zu einer verbesserten Suizidprävention in Deutschland getan und seine Suizidpräventionsstrategie vorgelegt. Grundsätzlich begrüßt die TelefonSeelsorge Deutschland (TSD) diesen ersten Schritt.
„Natürlich freuen wir uns, dass das BGM jetzt diese Strategie veröffentlicht hat. Sie enthält durchaus wichtige Punkte, die wir seit längerem unterstützen, unter anderem eine Koordinierungsstelle für die bestehenden Angebote. Und natürlich freut es uns, dass dort festgehalten ist, dass es einer ‚vertraulichen Beratung im Kontext … der seelsorgerischen Verschwiegenheitspflicht der Mitarbeitenden der TelefonSeelsorge‘ bedarf und dieses Angebot gegebenenfalls auch erweitert werden muss.“ Soweit Helmut Ellensohn, Co-Vorsitzender der TelefonSeelsorge Deutschland zu den positiven Aspekten. Aber: „Sosehr wir die Einrichtung der Koordinierungsstelle begrüßen – wir sehen nicht, dass sie innerhalb eines vertretbaren Zeitraumes anlaufen wird.“
Die TelefonSeelsorge Deutschland und krisenchat fordern die Bundesregierung auf, die anstehende nationale Suizidpräventionsstrategie zu nutzen, um das Unterstützungsangebot für Menschen in Lebenskrisen signifikant auszubauen und zu sichern. Der Bundestag hat die Bundesregierung aufgefordert, bis April 2024 eine nationale Suizidpräventionsstrategie vorzulegen. Stand heute (30.04.) liegt diese Strategie leider immer noch nicht vor. In Fachkreisen wird erwartet und begrüßt, dass die Strategie die Einrichtung einer Koordinierungsstelle vorsieht. Mit dieser Aufgabe könnte das bestehende Nationale Suizidpräventionsprogramm für Deutschland (NaSPro) betraut werden. Gleichzeitig wird befürchtet, dass der Erhalt oder gar Ausbau von Unterstützungsangeboten für Menschen in Lebenskrisen in der Strategie nicht berücksichtigt wird.
Die TelefonSeelsorge sucht neue ehrenamtliche Mitarbeitende.
Rund 60 Menschen arbeiten derzeit ehrenamtlich bei der TelefonSeelsorge und helfen im Chat oder am Telefon, mindestens 70 werden benötigt, so Leiterin Annemarie Pultke. „Die Themen, die die Hilfesuchenden bewegen, reichen von Einsamkeit, über Mobbing, Krankheiten und Lebensentscheidungen bis zu suizidalen Gedanken und Missbrauch. Um die 24/7-Erreichbarkeit weiter zu gewährleisten, brauchen wir einen Pool von 70 Personen. Unsere Ehrenamtlichen sind hochmotiviert und viele machen den Dienst sehr lange. Dennoch scheiden auch jedes Jahr Menschen aus verschiedensten Gründen aus. Die Ausbildung deshalb eine unserer Kernaufgaben.“
Die Dienststellen der TelefonSeelsorge bilden regelmäßig Menschen für die ehrenamtliche Arbeit am Telefon aus. Auch in Göttingen wird es wieder eine neue Ausbildungsgruppe geben. Sie startet nach den Osterferien Ende April/Anfang Mai. Interessierte können sich vorab bei einem Gruppentag kennenlernen.
„Ich möchte etwas Sinnvolles tun – für mich und für andere!“ Das sei eine häufig genannte Motivation, um ehrenamtlich bei der TelefonSeelsorge mitzuarbeiten und hier die Erfahrung zu machen, den Anrufenden ein hilfreiches Gegenüber zu sein, so Pastorin und Leiterin der TelefonSeelsorge Göttingen, Annemarie Pultke.
In der Ausbildungsgruppe, die im April 2024 beginnen soll, sind noch freie Plätze. Interessenten sollten Zeit, Kraft und Interesse mitbringen, auf andere Menschen zuzugehen und miteinander in einer Gruppe zu lernen. Von Mitarbeitenden wird erwartet, dass sie sich mit sich selbst auseinandersetzen können, lernen wollen, eigenes und fremdes Erleben zu unterscheiden und dass sie psychisch ausreichend belastbar und flexibel sind.
Die TelefonSeelsorge, in Trägerschaft des Ev.-luth. Kirchenkreises Göttingen-Münden, hat vom Lions-Club Northeim 3.000 Euro erhalten. Von dem Geld konnten unter anderem neue Möbel für den Raum der Chatseelsorge angeschafft werden, die die TelefonSeelsorge seit Dezember 2021 anbietet. Außerdem soll ein Teil der Spende in die Ausbildung von Ehrenamtlichen fließen.
Das Angebot, sich über Probleme via Internet auszutauschen, nutzen vor allem junge Menschen im Alter bis zu ca. 30 Jahren. Erreichbar ist die Chatseelsorge über die bundesweite Internetseite: www.telefonseelsorge.de. Dort können Ratsuchende nach freien Chatseelsorger:innen schauen oder sich einen festen Termin buchen. Die Themen reichen von Suchtproblematiken über Einsamkeit, Mobbing und Liebeskummer bis zu Suizidabsichten. Dies unterscheidet die Chatseelsorge von der klassischen Telefonseelsorge. Am Telefon dreht sich jeder 25. Kontakt um Suizid, bei der Chatseelsorge jeder zehnte.
Rund 60 Menschen arbeiten derzeit ehrenamtlich bei der TelefonSeelsorge, mindestens 70 werden benötigt, so die neue Leiterin Annemarie Pultke. „Wir brauchen ständig Nachwuchs für die Arbeit am Telefon, um die 24/7-Erreichbarkeit weiter zu gewährleisten. Unsere Ehrenamtlichen sind in der Regel hochmotiviert und viele machen den Dienst sehr lange. Dennoch scheiden auch jedes Jahr Menschen aus verschiedensten Gründen aus. Die Ausbildung für den Dienst am Telefon ist deshalb eine unserer Kernaufgaben.“
Die Dienststellen der TelefonSeelsorge bilden regelmäßig Menschen für die ehrenamtliche Arbeit am Telefon aus. Auch in Göttingen wird es wieder eine neue Ausbildungsgruppe geben. Sie startet direkt nach den Osterferien. Am 1. April findet ein Auswahltag statt, um sich gegenseitig kennenzulernen und Fragen stellen zu können.
„Sie trösten im Namen Gottes und helfen den Menschen“, so Superintendent Dr. Uhlhorn. „Ihre Tätigkeit in der Telefonseelsorge beschreibt den Kern, den Evangelische Kirche ausmacht.“ Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder ergänzt in ihrem Grußwort: „Über 105 Telefonseelsorgestellen gibt es bundesweit. Vielen Menschen scheint es mühelos zu gelingen, ohne fremde Hilfe aus Lebenskrisen herauszufinden. Andere brauchen jemanden, der sie begleitet und zuhört.“ Einen solchen Krisendienst in unserer Gesellschaft zu haben, sei eine gesellschaftliche und soziale Errungenschaft, so Dr. Ruck-Schröder weiter. „In Gestalt der Telefonseelsorge übernimmt die Kirche gesellschaftliche Verantwortung par excellence. Das geht nur, weil Einzelne den Hörer an ihrem Ohr haben. Ehrenamtliche Arbeit und Kompetenz ist hier der Schlüssel wie fast nirgendwo.“
Am Samstag, dem 10. September ist Weltsuizidpräventionstag. Die TelefonSeelsorge Göttingen schließt sich der Forderung der Telefonseelsorge Deutschland e.V. an, Suizid nicht zu tabuisieren.
„Oft wird die Problematik der Suizidalität verdrängt“, erklärt Koordinatorin Susanne Pfennig-Wiesenfeldt. „Sobald das Thema zur Sprache kommt, reagieren viele Menschen überfordert oder wissen nicht, wie sie dem Gegenüber helfen können. Das möchten wir ändern, indem wir zusammen mit der TelefonSeelsorge Deutschland auf das Thema aufmerksam machen.“
Laut statistischem Bundesamt sind 2020 9.206 Menschen in Deutschland an Suizid gestorben. Damit übersteigt ihre Zahl deutlich die Zahl der durch Verkehrsunfälle, Mord und Totschlag, illegale Drogen und AIDS zu Tode Gekommenen. Schätzungen gehen von weit über 100.000 Suizidversuchen aus. (Quelle: www.naspro.de/dl/Suizidzahlen2020.pdf)
Der Umgang mit dem Thema Suizid in Krisengesprächen gehört zur Kernkompetenz der TelefonSeelsorge. In Göttingen geht es bei etwa jedem zehnten Kontakt um Suizid, bei den klassischen Telefonanrufen sind es etwa vier Prozent, also jeder 25. Kontakt. „Es ist nicht so, wie viele Menschen glauben, dass wir in jedem Gespräch mit akuten Suizidgedanken oder -absichten konfrontiert sind“, so Pfennig-Wiesenfeldt. „Doch Suizidgedanken werden am Telefon immer wieder geäußert, noch öfter allerdings in Mail- und Chat-Wechseln. Sie verlangen unseren Ehrenamtlichen enorm viel ab. Deshalb ist das auch ein Thema in der Ausbildung der Telefonseelsorger:innen.“
Viel häufiger als diese akute ist eine latente Suizidalität, die oft gar nicht als solche ausgedrückt wird. Unter ihr leiden insbesondere Menschen, die dauerhaft in bedrückenden Umständen leben müssen: Einsamkeit, schwere körperliche oder psychische Erkrankungen, unbewältigte Traumata, wirtschaftliche Not. Auf ihre Lage geht Rosemarie Schettler in ihrem Essay „Suizidprävention – eine Kernkompetenz der TelefonSeelsorge“ ein, was auf der Website der TelefonSeelsorge Göttingen zur Verfügung steht.
Die TelefonSeelsorge in Deutschland unterstützt die Forderung ihres Partners NaSPro (Nationales Suizidpräventionsprogramm) und anderer Initiativen nach einem gesetzlich verankerten Maßnahmenpaket zur Suizidprävention. Dabei sollen bereits bestehende Angebote gestärkt werden und das vorhandene Wissen der Organisationen, die sich in der Suizidprävention engagieren, auf nationaler Ebene koordiniert werden.